„Begreifen verändert“

Im Atelier von Peter Haußmann. Noch stehen dort die Objekte, die alsbald auf dem Stiftshof stehen werden: Ein Bett, ein Stuhl, eine Tafel: Objekte aus Stahl. Als Teil des Backnanger Kultursommers, der schließlich vielen Künstler*innen aus Stadt und Region ein Podium für ihr Werk und Schaffen geben soll. Tritt man ins Haußmann-Atelier in der Alten Spinnerei in Backnang, begegnen einem viele Werke des Künstlers, viele Inspirationsquellen – und ein perfekt aufgeräumter leerer Tisch. Die Kommunikationszentrale.

Ein Atelier mitten in Backnang – das klingt ganz angenehm.

Dieser Ort ist für mich ein sehr guter, das Atelier ist ein Teil von meinem Leben. Hier entsteht das, was zu einem wesentlichen Teil meinen Beruf als Künstler prägt, hier entstehen meine Arbeiten. Das kann auch mal sehr chaotisch aussehen. 

Und im Gegensatz dazu dieser gastliche Tisch…

Ja, dieser Tisch ist immer frei. Das ist der Kontrapunkt. Hier kann ich jederzeit Gäste empfangen, mit ihnen reden, trinken, essen – denn Kommunikation gehört für mich zur Kunst unbedingt dazu. Wenn man sitzt, spricht man anders miteinander als im Stehen, in großem Durcheinander verhält man sich anders als in einem übersichtlichen Rahmen. Also ist es wichtig, dass der Tisch immer aufgeräumt und in Ordnung ist: für ein aufgeräumtes Miteinanderreden am Tisch. 

Ist denn Deine Kunst für Dich auch ein Aufräumen und Ordnung schaffen?

Ja, das kann man so sehen. In meinem Kunstschaffen bin ich  immer bemüht, Dinge so zu reduzieren, dass das für mich Wesentliche sichtbar wird. Nichts, was die Blicke ablenkt. Nichts Überflüssiges. Das ist wie in der Sprache – für mich ein perfektes Ausdrucksmedium. Und auch hier ist immer die Frage: Ob ich das, was ich als Idee im Kopf habe, auch wirklich adäquat ausdrücken kann.

Und das herausgearbeitete Wesentliche ist Dein Seh-Angebot ans Publikum?

Wenn es sich drauf einlässt. Ich biete jedenfalls die Möglichkeit. Diese Objekte, Stuhl und Bett, die jetzt für den Stiftshof vorgesehen sind, sind mehr als das Alltagsbild von Stuhl und Bett. Es sind eben die Abbildungen von Stuhl und Bett, die zum Benutzen einladen und zum Nachdenken. Es ist ein sehr langer Weg, bis diese Abbildungen schlussendlich so ausschauen, wie ich es will. Ein Schreiner hat das Normmaß 47 Zentimeter Sitzhöhe für den Stuhl; ich muss mich als Künstler nach so etwas nicht richten – und habe demzufolge viele Entscheidungen zu treffen. Ich kann den Stuhl höher machen. Ich kann ihn ganz schwer machen, obwohl er leicht aussieht. Und die Betrachter*innen können sich mit diesem Objekt im schönem Wortsinn damit auseinandersetzen.

Bett, Stuhl, dazu eine Stahltafel. Was steht denn darauf geschrieben?

Schrift ist mir manchmal ganz wichtig im Zusammenhang mit meinen Objekten – manchmal ist sie auch bloß verborgen im Hintergrund. Hier steht: „Platz zum Nachdenken über Kunst und den Preis des Nichtbeachtens.“ Die Tafel gehört zum Stuhl. Ich finde, man muss die Kunst ins Zentrum stellen, zu etwas Beachtenswertem machen, ganz reell, dem Virtuellen und dem Geschwafel der Zeit etwas entgegenstellen. Etwas nicht sein lassen. Schließlich ist am Ende nicht nur das entscheidend, was wir tun, sondern auch das, was wir nicht tun. Was wir tun, hat Auswirkungen, was wir nicht tun, aber oft noch mehr. Meine Kunstwerke sind Angebote, darüber nachzudenken. Sich Zeit zu nehmen, bis sich die Dinge einem erschließen. Begreifen verändert.

Und wie kommen die Objekte zum Kultursommer?

Jasmin Meindl und Juliane Putzmann haben mich gefragt. Da habe ich diese Objekte sehr gerne beigesteuert. Diese Stahlobjekte passen für mich sehr gut in den Stiftshof. Meindl und Putzmann wollen ja, dass sich möglichst viele Künstler*innen beteiligen. Auch im Sinne des Netzwerks. Das ist schon lange mein Anliegen. Es wird ja ohnehin Zeit, dass die Kunstschaffenden sich gegenseitig mehr und mehr kennen und respektieren. Und wenn man sich dann schätzt: noch besser! Aber es ist auch ganz schwer, aus den festgefügten Konturen herauszukommen. Letzten Endes sehen die Leute nur, was sie sehen wollen, nämlich das, was sie kennen.